Ein anderer Ort

Sie haben ein Seil vor die Tür gespannt und lassen nicht jeden rein in ihr Restaurant, 
und benannt haben sie es nach einem, 
der gesagt hat: erst dann, wenn ich 
begraben bin, solltet ihr mein Erbe teilen …

Drinnen sieht es aus wie in einem Wohnzimmer alter Liebhaber, die viel um die Welt gekommen sind. Spiegelbilder, Zeichnungen, locker gepinselte Großstadtszenen, ein paar monströse Schinken, Glitzer und Andenken und was ihre Augen sonst alles  zum Funkeln gebracht hat.

Sie macht die Küche und er die Bar. Früher, sagt sie, hat er mich zu Weihnachten gefragt, möchtest du einen neuen Mantel oder ein Kilo Kaviar. Sie lacht auf. Dann habe ich eine Flasche Dom Perignon geköpft, mich mit dem Kaviar in die Küche gesetzt und war glücklich. 

An einem Abend gibt es Kartoffelpuffer. Sie verschwindet dafür in der Küche in Dampf und Fettschwaden und klingelt, wenn sie die nächste Ladung fertig hat. Er holt immer drei auf einem Teller. Und dann Rindersalat, Hähnchen, Lachs, Tartar, Kapern, gehacktes Ei, rote Zwiebeln, Schmand … 

Er nickt. So habe ich essen gelernt als Junge, bei meinem jüdischen Schulfreund. Ich kannte nur Puffer mit Apfelmus und Zucker. Aber nach dem hier. Er denkt nach. Und Familie habe ich da kennengelernt, Füreinander, den Kindern das Leben beibringen. 

Wir haben natürlich Mist gemacht, wir waren Jungen. Polizisten veräppelt und so. Dann hat uns sein Vater in den Keller gerufen, der war ein berühmter Anwalt, und gesagt: ich regel das für euch! Aber so macht man das nicht, so geht es nicht. 

Sie sind füreinander da, diese beiden. An der Bar läuft seine Musik und in der Küche vollbringt sie ihre Geheimnisse für die Gäste. 

Es ist ein Ort für Menschen hier. Und so sehen sie es auch. Sie kennen ihre Gäste und die Besten lassen sie an ihrem Leben teilhaben. 

Ich war immer glücklich, wenn ich bei ihnen gegessen und getrunken habe.

BP Juni 2015

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